Wie viel Rechte braucht die Polizei?: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie viel Rechte braucht die Polizei in der Schweiz? Diese Frage versucht dieser Artikel zu beantworten.
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3 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
3 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.


4 Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.<ref name=":0" /></blockquote>In der '''schweizerischen Strafprozessordnung'''<ref>[https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2010/267/de Schweizerische Strafprozessordnung]</ref> ist zu lesen, die Polizei darf
4 Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.<ref name=":0" /></blockquote>In der '''schweizerischen Strafprozessordnung'''<ref name=":2">[https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2010/267/de Schweizerische Strafprozessordnung]</ref> ist zu lesen, die Polizei darf


* Personen einvernehmen (Art. 142)
* Personen einvernehmen (Art. 142)
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Im '''Polizeigesetz des Kantons Zürich'''<ref>[https://www.zh.ch/de/politik-staat/gesetze-beschluesse/gesetzessammlung/zhlex-ls/erlass-550_1-2007_04_23-2009_07_01-115.html Polizeigesetz des Kantons Zürich]</ref> erhält die Polizei folgende weiteren Rechte:
Im '''Polizeigesetz des Kantons Zürich'''<ref name=":1">[https://www.zh.ch/de/politik-staat/gesetze-beschluesse/gesetzessammlung/zhlex-ls/erlass-550_1-2007_04_23-2009_07_01-115.html Polizeigesetz des Kantons Zürich]</ref> erhält die Polizei folgende weiteren Rechte:


* Die Polizei ist bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Rechtsordnung gebunden. (§8)
* Die Polizei ist bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Rechtsordnung gebunden. (§8)
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* Die Polizei trifft im Einzelfall auch ohne besondere gesetzliche Grundlage unaufschiebbare Massnahmen, um unmittelbar drohende oder eingetretene schwere Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren oder zu beseitigen. (§9)
* Die Polizei trifft im Einzelfall auch ohne besondere gesetzliche Grundlage unaufschiebbare Massnahmen, um unmittelbar drohende oder eingetretene schwere Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren oder zu beseitigen. (§9)
* Polizeiliches Handeln muss zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben notwendig und geeignet sein. (§10)
* Polizeiliches Handeln muss zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben notwendig und geeignet sein. (§10)
* Unter mehreren geeigneten Massnahmen sind jene zu ergreifen, welche die betroffene n Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. (§10)
* Unter mehreren geeigneten Massnahmen sind jene zu ergreifen, welche die betroffenen Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. (§10)
* Die Massnahmen dürfen nicht zu einem Nachteil führen, der in einem erkennbaren Missverhältnis zum verfolgten Zweck steht. (§10)
* Die Massnahmen dürfen nicht zu einem Nachteil führen, der in einem erkennbaren Missverhältnis zum verfolgten Zweck steht. (§10)
* Massnahmen sind aufzuheben, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (§10)
* Massnahmen sind aufzuheben, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (§10)
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* Widersetzt sich eine Person der angeordneten Wegweisung oder Fernhaltung, darf die Polizei sie zu einer Polizeidienststelle bringen und ihr dort mittels Verfüg ung verbieten, den betreffenden Ort zu betreten. (§34)
* Widersetzt sich eine Person der angeordneten Wegweisung oder Fernhaltung, darf die Polizei sie zu einer Polizeidienststelle bringen und ihr dort mittels Verfüg ung verbieten, den betreffenden Ort zu betreten. (§34)


=== Grenzen der Polizeibefugnisse ===
Die Polizei hat allerlei Befugnisse, von Identitäsfeststellungen, polizeilichen Vorführungen über Durchsuchungen des Körpers oder der Wohnung bis hin zu präventiven Wegweisungen.


Doch wo liegen die Grenzen? Darf ein Polizeibeamter eigentlich wenn er jemanden für verdächtig hält, aber nichts gegen die Person vorliegt einfach aus einem Gebiet wegweisen oder die Person einfach für ein paar Tage inhaftieren?


=== Besondere Rechte der Polizei ===
Nein, natürlich nicht. Einerseits müssen solche Massnahmen im Einzelfall begründet sein, dh es müssen bestimmte Umstände vorliegen, die die Massnahme rechtfertigen. Andererseits müssen die Massnahmen verhältnismässig sein (siehe auch [[Verhältnismässigkeit]]).
...


=== Grenzen der Polizeibefugnisse ===
Diese Verhältnismässigkeit wird uA in Art. 5 der schweizerischen Bundesverfassung<ref name=":0" /> sowie in §5 des zürcherischen Polizeigesetzes<ref name=":1" /> erwähnt. Das bedeutet auch, dass jede Personenkontrolle, jede Wegweisung, jede Verhaftung verhältnis sein muss, dh die Massnahme muss geeignet sein, um einen polizeilichen Zweck zu erfüllen, sie muss notwendig und auch das geringste mögliche Mittel für den polizeilichen Zweck sein. Unter mehreren möglichen Massnahmen muss diejenige Massnahme gewählt werden, die am wenigsten Einschränkend für die Betroffenen ist, und die Einschränkung darf für die betroffene Person insgesamt nicht in einem erkennbaren Missverhältnis zum angestrebten Ziel stehen.<ref name=":1" /><ref>[[Verhältnismässigkeit]]</ref>
...


=== Darf die Polizei ihre Befugnisse überschreiten und was wären die Konsequenzen? ===
=== Darf die Polizei ihre Befugnisse überschreiten und was wären die Konsequenzen? ===
Gründe, warum die Polizei Befugnisse überschreiten möchte (Überforderung, Zeitersparnis, etc)
Fallbeispiel 1: Was ist nun, wenn ein Polizeibeamter eine Person verdächtig findet, durchsucht, die Identität feststellt und kein Fehlverhalten feststellt? Es handelt sich um 3 Jugendliche mit einem Bier in der Hand und das Bauchgefühl sagt klar, dass diese Jugendlichen heute noch Ärger machen könnten. Die Polizeibeamten würden die Personen gerne auf den Polizeiposten nehmen oder für 24 Stunden wegweisen.
 
Fallbeispiel 2: Eine Gruppe Jugendlicher macht eine unbewilligte Demonstration (10 Teilnehmer), blockieren dazu eine Seitenstrasse. Diese unbewilligte Demonstration wird jeden Samstag am Bahnhof Winterthur durchgeführt. Es handelt sich faktisch um eine Gruppe von 10 Punks, die Schilder hochhalten, auf der Strasse sitzen und rumschreien.
 
Kann die Polizei in diesen beiden Fällen die Personen festnehmen oder wegweisen?
 
Nach den oben geschilderten gesetzlichen Grundlagen kann eine Festnahme in Fallbeispiel 1 nicht erfolgen, da die gesetzlichen Grundlagen dafür fehlen. Würde die Polizei die Personen festnehmen, würden sie sich wegen Freiheitsberaubung und Entführung sowie Amtsmissbrauchs schuldig machen. Eine Wegweisung kommt im Fallbeispiel 1 ebenfalls nicht in Frage, da kein begründeter Verdacht vorliegt, dass die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört werden durch die Personen oder kein anderer Grund nach §33 PolG/ZH<ref name=":1" /> vorliegt.
 
Im Fallbeispiel 2 liegt die Sache anders: Es liegt eine Übertretung vor, und es besteht der begründete Verdacht, dass die Personen nach Auflösung der Demonstration sofort wieder loslegen, sobald die Polizei nicht mehr vor Ort ist. In diesem Fall wäre eine Wegweisung nach §33 PolG/ZH<ref name=":1" /> gerechtfertigt. Ebenso kann ausnahmsweise eine vorläufige Festnahme nach Art. 217 StPO erfolgen, "um sie von weiteren Übertretungen abzuhalten". §162 des zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG)<ref>[https://www.zh.ch/de/politik-staat/gesetze-beschluesse/gesetzessammlung/zhlex-ls/erlass-211_1-2010_05_10-2011_01_01-113.html Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG)]</ref> des Kantons Zürich bestimmt noch, dass für eine vorläufige Festnahme bei Übertretungen nach Art. 217, Absatz 3 StPO<ref name=":2" /> ein Polizeioffizier über die Verlängerung zu entscheiden hat.
 
Im Fallbeispiel 2 müssen die Personen trotzdem innert weniger Stunden wieder freigelassen werden ([[Verhältnismässigkeit|Verhältnismässigkeitsprinzip]]), es ist jedoch eine Wegweisung möglich nach §33 PolG/ZH<ref name=":1" />, da der begründete Verdacht besteht, dass die Personenansammlung die öffentliche Ruhe und Ordnung stört. Die Polizei kann die Personen für bis zu 24 Stunden wegweisen.
 
Die Polizei kann die Personen aber nicht für 8 Tage (damit auch der nächste Samstag abgedeckt ist) wegweisen, sofern nicht einer der besonderen Gründe für eine Wegweisung bis 14 Tage erfüllt sind. Zudem muss die Wegweisung geeignet sein, eine erneute unbewilligte Demonstration zu verhindern (das wäre zu bejahen), die Massnahme muss notwendig sein (ebenfalls zu bejahen) und die Einschränkung muss in einem ausgewogenen Verhältnis zum Zweck der Massnahme (Verhinderern, dass 10 betrunkene Punks eine Strasse blockieren) stehen.
 
Aus diesem Verhältnismässigkeitserfordernis muss die Polizei genauestens abwägen, wie weit die Wegweisung gehen muss. Weist die Polizei die Teilnehmer der unbewilligten Demonstration pauschal für 24 Stunden und aus der ganzen Stadt Winterthur oder gar dem ganzen Kanton Zürich weg, so verletzt diese Massnahme das Verhältnismässigkeitsprinzip und ist daher unzulässig. Wenn die befürchtete unbewilligte Demonstration immer direkt am Bahnhof Winterthur stattfindet und immer am Samstagnachmittag, so ist es nicht mehr verhältnismässig, wenn die Wegweisung darüber hinaus geht. Das bedeutet, die Polizei ist nur berechtigt, die Wegweisung räumlich und zeitlich so weit auszudehnen, dass der Zweck (Verhinderung einer Strassenblockade durch 10 Betrunkene) erreicht wird, ohne die betroffenen Personen unnötig einzuschränken.
 
Verhältnismässig könnte so eine Wegweisung sein, wenn sie sich auf den Zeitraum bis 22 Uhr oder bis Mitternacht beschränkt und auf das Gebiet um den Bahnhof Winterthur herum bis zu einem Abstand (Radius) von beispielsweise 500 Metern um den Bahnhof Winterthur. Zudem ist noch zu prüfen, ob allenfalls das Betreten des Bahnhofs zum Einstieg in einen Zug als Ausnahme in der Wegweisung genannt werden sollte.


=== Schlussfolgerung und Erkenntnisse ===
=== Schlussfolgerung und Erkenntnisse ===
...
Die Polizei muss sich immer ans Gesetz halten. Wo sie mehr Befugnisse als andere Bürger benötigt, hat die Polizei (Parlament durch Gesetz, Regierungsrat durch Verordnungen) diese Rechte der Polizei zu erteilen. Das ist der einzige gangbare Weg in einem demokratischen Rechtsstaat.
 
Die Polizei benötigt also mehr Rechte als andere Bürger. Diese hat sie aber per Gesetz und Verordnung bereits erhalten. Die Polizei kann keine Rechte beanspruchen, die darüber hinaus gehen (ausser in Ausnahmesituationen gemäss Art. 36, Abs. 1 BV<ref name=":0" /> oder nach §9 PolG/ZH<ref name=":1" />).
 
Würde die Polizei sich über das Gesetz hinwegsetzen, würde sie sich strafbar machen. Die Polizei macht sich durch Zwangsmassnahmen, Gewaltanwendung, etc. nur dann nicht strafbar, wenn die Polizei ihre Amts- und Berufspflicht, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, ausübt (§8, Abs. 3 PolG/ZH<ref name=":1" />). Handelt die Polizei ohne konkrete gesetzliche Grundlage, macht sie sich wie jeder andere Bürger auch strafbar.
 
=== Quellen ===
[[Kategorie:Schweiz 2050]]
[[Kategorie:Schweiz 2050]]
[[Kategorie:Kommentar]]
[[Kategorie:Kommentar]]

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